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Adventskalender Türchen 6

 Da war es wieder. Ein leises, bedrohliches Scharren, wie von Krallen auf Stein erklang ganz in der Nähe. Esekamir wusste, dass ihr nur Sekunden blieben, um zu reagieren. Aber was sollte sie tun? Oh nein! Nun hörte sie hinter sich ein leises Tappen, wie von riesigen Katzenpfoten auf Beton. Konnte sie eine Flucht wagen, oder war es besser, still auszuharren? Halb gelähmt vor Angst und völlig überfordert hockte sie einfach nur da. Schicksalsergeben wartete sie auf das, was kommen würde. Schon auf der Straße hatte sie gelernt, dass andere Katzen gefährlich sein konnten, besonders wenn sie hungrig waren. Deshalb hatte sie andere Katzen gemieden, wenn sie nicht von sich aus freundlich auf sie zugekommen waren. Aber hier, in diesem Gehege, konnte sie andere Katzen nicht meiden. Und nun kesselten sie sie ein. Riesige, beängstigende Schatten stürzten von allen Seiten auf sie ein und wollten ihr weh tun. Hilflos schloss sie die Augen und wartete auf das unvermeidliche. 

 

„Esi, was ist los?“, erklang eine fröhliche und mehr als willkommene Stimme hinter Esekamir. Diese Stimme hatte ihr schon unzählige Male Mut gemacht und sie schaffte es, sich aus ihrer Starre zu lösen und sich umzublicken. Sie schaute ihrem Freund Turin dankbar in die Augen. „Rin!“, rief sie, „du hast mich zu Tode erschreckt! Ich dachte, du bist jemand anderes und willst mich angreifen!“ Nachdenklich sah Turin seine kleine Freundin an, die er so sehr liebte. Sie waren beide etwa gleich alt, um genau zu sein, waren sie beide ungefähr 9 Monate jung. Und obwohl sie das Leben beide bereits vor einige Prüfungen gestellt hatte, hatten Turin und Esekamir völlig unterschiedliche Lehren daraus gezogen. Esekamir war eigentlich genauso verspielt wie er. Während Turin gelernt hatte, bei Kontakt mit Menschen Vorsicht walten zu lassen, liebte Esekamir - oder Esi, wie er sie liebevoll nannte – jede Aufmerksamkeit und Streicheleinheiten von Menschen. Er bewunderte ihren Mut, was das anging, denn Menschen konnten auch ganz schön gefährlich sein. Er hatte sich fest vorgenommen, sie zu beschützen, wenn sie sich mal dem falschen Menschen nähern wollte. Allerdings musste er zugeben, dass er sich bezüglich gefährlichen Menschen keine Sorgen machen musste, solange sie bei Ana waren. Ana würde keiner Katze jemals wehtun, im Gegenteil, sie gab ihnen Essen, frisches Streu und pflegte sie, wenn sie krank waren. Wann immer ihre Zeit es erlaubte, erzählte sie ihm und seinen Artgenossen davon, wie es sein würde, in einer Familie zu leben. 

 

Er dachte an so ein Leben in einer Familie. Er selbst kam hier bei Ana eigentlich sehr gut klar. Eine Familie wäre natürlich noch schöner. Aber Esi – sie hasste jeden Tag, den sie mit so vielen Artgenossen verbringen musste. Sie hatte immer Angst, dass sie ihr etwas antun würden, auch wenn Turin das niemals zulassen würde. 

 

Es war Weihnachtszeit und Turin dachte, es wäre doch schön, als Weihnachtsgeschenk die Nachricht zu bekommen, dass eine Familie auf die beiden Freunde wartete. Und plötzlich fügten sich die beiden Bilder zusammen – Weihnachten und eine Familie verschmolzen und Turin schickte einen Wunsch ins Universum. Der Wunsch war von seiner tiefen Liebe zu Esekamir geprägt. Das Bild, wie er und Esi zusammen in einer Familie lebten, die beide aufrichtig liebte, umschloss den Wunsch wie schimmerndes Geschenkpapier und seine Hoffnung und Fürsorge umwebten den Wunsch wie ein samtenes Band. Turin wusste es nicht, aber die Reinheit und Stärke seines Herzenswunsches war so überwältigend, dass dieser seinen Weg zu Anela und Lyra fand.

 

Diese blickten sich verwundert an. Ein Weihnachtsgeschenk hatten sie so noch nie erhalten. Sie entflochten das Band aus Hoffnung. Als sie das Papier entfalteten, sahen sie darauf Esekamir und Turin abgebildet, wie sie durch ein Haus tobten. Die beiden hielten immer wieder inne, um sich von ihren Menschen kuscheln zu lassen und ihre Herzen schlugen schneller, wenn ihre Menschen über ihre Albernheiten lachten oder ihnen zuflüsterten, dass sie sie lieb hatten. Anela und Lyra besahen den Inhalt des Päckchens und ihre Freude über die Liebe, die darin enthalten war, war groß. 

„Komm Lyra, heute besuchen wir Esekamir und Turin!“, sagte Anela.

 

Als die beiden Weihnachtselfen sich neben den gemütlich aneinander gekuschelten Freunden in einem sanften Funkenregen materialisiserten, lagen die Gehege im Licht der Morgendämmerung. Ein leichter Frost ließ die Umzäunungen fast schon weihnachtlich glitzen, als wollte die Natur die Ankunft der Elfen begrüßen. „Esekamir, Turin, wir grüßen euch“, wandte sich Lyra liebevoll an die beiden Katzen. „ Wir sind Anela und Lyra und wir möchten euch helfen.“

„Eigentlich fragen wir die Katzen, die wir besuchen nach ihrer Geschichte, aber bei euch ist das nicht nötig“, lächelte Anela. „Turin hat uns euren Wunsch und eure Geschichte ja schon geschickt.“

 

Turin schaute die beiden verwirrt an. „Habe ich das?“, fragte er? 

„Oh ja!“, antwortete Lyra fröhlich. Du hast einen Herzenswunsch ins Universum geschickt, der so rein und gut und stark war, dass er es bis zu uns geschafft hat. Wir werden eure Geschichte erzählen, damit viele Menschen von euch erfahren und dein Wunsch so bald wie möglich wahr wird.“ 

Esekamir sah ihren Freund und Beschützer staunend an. „Rin, du bist der beste Freund, den ich haben könnte! Wie schön es wäre, wenn wir wirklich bald zusammen eine Familie finden würden!“, seufzte sie träumerisch. Als Anela und Lyra, begleitet von ihrem fröhlichen Funkeln, ihre Reise fortsetzen, fühlte sich Esekamir ein klein bisschen weniger ängstlich und Turin war erfüllt von einer glühenden Hoffnung.

 


Esekamirs und Turins Weihnachtswunsch

Wir wünschen uns Futter für die Babys. Wir sind selbst noch Kinder und wir haben unsere ersten Monate auf der Straße verbracht und Hunger kennengelernt. es gibt kaum ein schlimmeres Gefühl, als von ständigem Hunger und Überlebenskampf getrieben zu sein. Wir wünschen uns, dass es zumindest hier bei Ana auch in Zukunft immer genug Futter für die Babys gibt!

2,95 €

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