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Adventskalender Türchen 11


Sara knurrte. Im nächsten Moment bereute sie es schon wieder. Aber da hatte sich der freundliche Kater schon ängstlich verdrückt. Dabei hatte er doch nur vorsichtig Kontakt knüpfen wollen … Er war bestimmt verängstigt und einsam, so wie sie. Voller Schuldgefühle begann Sara, ihren schneeweißen Pelz zu putzen. Sie wollte doch gar nicht so sein. Aber hier in der Perrera war es so laut, so voll und alle Tiere rochen nach Angst und Verzweiflung. Sara ertrug es einfach nicht und verteidigte notgedrungen die kleine Ecke, die sie mit ihrem unfreiwilligen Einzug hier für sich beansprucht hatte. 

 

Dabei war dies noch eine der guten Perreras, hatte sie gehört. Hier gab es wenigstens Futter. Und ab und zu kam eine freundliche Frau, Ana, vorbei. Sie blieb immer lange und sprach beruhigend zu den Tieren. Manchmal nahm sie auch Katzen mit. Die kranken und die Babys, meistens. Doch spürte auch Sara ihren warmen Blick auf sich ruhen. Manchmal wünschte sie sich dann, dass die Frau noch bleiben würde. Aber dann erinnerte sie sich, dass man Menschen nicht trauen konnte. So vertrauensvoll hatte sie sich in die Hände geschmiegt, die sie kurz darauf auf der Straße ausgesetzt hatten. Nicht noch einmal.

 

Mit einem Mal begann die Luft um Sara herum … sie zu kitzeln? Es flirrte und funkelte so eigenartig, dass Sara nieste und sich schüttelte. „Was…?“, fragte sie noch, als es plötzlich, keinen Meter von ihr entfernt, „Puff“ machte. Aus einem Funkenregen flatterten zwei Gestalten auf sie zu. Sara legte die Ohren an und rief wie immer, wenn sie verunsichert war: „Wartet!“

Die Menschen hörten jedes Mal nur ein Fauchen. Doch Anela und Lyra verstanden die Katzensprache. Sie blieben folgsam stehen und blickten Sara so voller Freundlichkeit an, dass dieser mulmig wurde. „Wer seid ihr denn?“, fragte sie misstrauisch, aber nicht mehr so ängstlich.

„Wir sind Anela und Lyra, die Weihnachtselfen“, lautete die Antwort. Sara konnte damit wenig anfangen. „Und was wollt ihr von mir?“, fragte sie deshalb und ein Hauch Erschöpfung schwang in ihrer Stimme mit. „Wollt ihr mich fangen, in einen kleinen Käfig stecken und wieder woanders hinbringen? Oder wollt ihr mir eure traurige Geschichte erzählen? Ich kann das ganze Leid nicht mehr ertragen.“

 

„Ehrlich gesagt …“, erwiderte Lyra und machte einen vorsichtigen Schritt nach vorn. Sara ließ es zu. „… sind wir hier, um deine Geschichte anzuhören, Sara. Manchmal wird es leichter, wenn man von seinem Schicksal erzählt.“ Sara zuckte matt mit den schmalen, weißen Schultern. „Was soll ich schon erzählen?“, fragte sie. „Meine Geschichte klingt wie die meisten hier. Ungewollt, ausgesetzt, hungrig, verzweifelt, eingefangen, hier gelandet. Das bin ich“, zählte sie auf und versuchte, den Kloß, der sich wie ein fieses Fellknäuel in ihrem Hals zusammenballte, zu ignorieren. Es gelang ihr erst, als sie bemerkte, wie mitfühlend und aufmerksam diese seltsamen Wesen sie ansahen. „Ihr … ihr könnt ruhig etwas näherkommen“, murmelte sie und wunderte sich über ihren Mut. 

 

Lyra und Anela ließen sich das nicht zweimal sagen. Zu offensichtlich war es, dass diese Katze unsagbar litt. Sie flatterten auf Sara zu und begannen zärtlich, ihren weichen Pelz zu streicheln. Erst versteifte Sara sich, dann ließ sie es geschehen. 

„Das ist lange her“, flüsterte sie mit belegter Stimme. Lyra wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Auge, doch Anela sprach tapfer: „Das hier ist nicht das Ende, Sara. Da draußen gibt es Menschen, die freundlich zu Katzen sind.“ „Und was sollten die mit mir anfangen?“, erwiderte Sara. Der Kloß war wieder da. „Zu meinen früheren Besitzern war ich immer lieb und freundlich, und trotzdem haben sie mich auf die Straße geworfen. Jetzt bin ich misstrauisch und gestresst. Wer will denn so eine Katze?“ Sara weinte. Das wollte sie doch vor anderen vermeiden. 

„Pschh…“ Anela gab Sara einen tröstenden Kuss auf den Kopf und Lyra vergrub ihr Köpfchen tief in dem langen, weißen Fell. „Wir wissen doch, dass du nur Angst hast. Das geht allen Perrerakatzen so. Aber es gibt Menschen, die das verstehen. Die ganz viel Liebe und Geduld für Fellchen wie dich übrig haben.“

 

Sara tat wieder so, als würde sie sich putzen, um ihren Kummer zu verbergen. „… Glaubt ihr das wirklich?“, fragte sie schließlich. Die Elfen nickten. Dabei strahlten sie so eine tiefe Aufrichtigkeit aus, dass Sara sich wirklich, wirklich wünschte, sie könnte ihnen glauben.

 

„Ich danke euch“, flüsterte sie. „Ich zweifle immer noch daran, dass es solche Menschen wirklich geben soll. Aber ihr habt mir zumindest ein bisschen Zuversicht geschenkt.“

Anela und Lyra lächelten zaghaft. Mehr konnten sie von dieser zutiefst enttäuschten Katze vorerst nicht erwarten. Sara gab ihnen einen sanften Stups mit der Nase.

„Jetzt fliegt schon weiter“, grummelte sie. „Es gibt da draußen doch so viele Katzen, die traurig sind. Vielleicht …“ Sie deutete mit dem Kinn auf den Kater, den sie vorhin verscheucht hatte, „… könnt ihr dem da auch ein wenig Mut machen.“

 

Die beiden Elfen lachten liebevoll. „Wir haben sehr viele Katzen auf unserer Liste, aber vielleicht lässt sich das einrichten. Vergiss unseren Besuch nicht, Sara. Wir glauben fest an deine Menschen.“ Damit erhoben sie sich und verschwanden wieder in dem Funkenregen, aus dem sie gekommen waren.

Sara beobachtete das Geflirre, bis auch die letzten Fünkchen verglüht waren. Dann erhob sie sich schwerfällig. Vielleicht war es ja mal an der Zeit, ihre schwerumkämpfte Ecke zu verlassen. Nur für einen kurzen Augenblick.

 


Saras Weihnachtswunsch

Durchfall kommt leider öfter vor, gerade auch, wenn wir Katzen gestresst sind, so wie ich. Deshalb wünsche ich mir eine große Portion Schonkost für alle, damit es dem Bäuchlein schnell wieder gut geht.

5,50 €

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