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Adventskalender Türchen 19


Yuta saß auf dem Fensterbrett und starrte nachdenklich nach draußen. Das tat sie oft, wenn ihre Pflegefamilie nicht zuhause war. Ihre vierbeinigen Mitbewohner vertrieben sich die Zeit mit Spielen, aber die weiße Katze mit dem grauen Krönchen hatte keine Lust dazu. Nein, den heutigen Tag würde sie wieder mit einer ihrer Lieblingsbeschäftigung verbringen: Tagträumen.

 

Also schloss Yuta die Augen und malte sich ein gedankliches Bild: In diesem Bild war sie rundum glücklich. Denn sie hatte ein wunderschönes Zuhause … und eine richtige Familie. In ihrem Tagtraum saß Yuta auf dem Schoß von ihrem ganz persönlichen Zweibeiner, der sie zwischen den grauen Öhrchen kraulte. Und tief in ihrem Inneren wusste die hübsche Katze, dass dieser Zweibeiner sie von ganzem Herzen liebhatte – so wie Yuta ihren Menschen. Niemals würde diese Familie sie im Stich lassen. Bei der Vorstellung begann Yuta, leise zu schnurren. Es war warm und ihr fehlte es an nichts. 

Doch irgendwie … fühlte sich dieser Tagtraum echter an als sonst. War es wärmer um sie herum geworden? Und war das nicht wirklich eine Hand, die ihr sanft übers Köpfchen strich? Verwirrt öffnete Yuta die grünen Augen … und erblickte ein winziges, feenhaftes Wesen, das ihr freundlich zulächelte und ihr noch einmal sanft über die Schläfe strich, ehe sie die winzige Hand sinken ließ. Da flatterte noch ein zweites Wesen heran, das Yuta ebenfalls so liebevoll anblickte, wie die hübsche Katze es sich eben noch bei ihrem Traummenschen ausgemalt hatte.

„Hallo Yuta. Bitte entschuldige, wir wollten dich nicht beim Tagträumen stören“, sprach eines der Wesen. „Wir sind Lyra und Anela, die Weihnachtselfen.“

 

Yuta nickte langsam. „Ihr seid die, die den Menschen unsere Geschichten erzählen und so manches Weihnachtswunder vollbringen“, stellte sie fest. Lyra nickte erfreut. „Wenn wir großes Glück haben, ja. Auch für dich möchten wir gerne nach liebevollen Menschen suchen, denen du dein Herz schenken kannst. Magst du uns deine Geschichte erzählen?“

Yuta begann wieder, dankbar zu schnurren. Sie freute sich unendlich über diese Gelegenheit: So sehr sich ihre Pflegeeltern bemühten, ein gutes Zuhause für sie zu finden, die Unterstützung von zwei Weihnachtselfen half ihrem persönlichen Katzenwunder gewiss noch etwas auf die Sprünge. Noch dazu begann Anela erneut, ihr samtgraues Köpfchen zu streicheln …

 

„Ich stamme aus einer der vielen Kolonien von Straßentieren, die Ana und ihre Helfer in Spanien versorgen. Wie ich dort hingekommen bin, weiß ich schon gar nicht mehr. Auf jeden Fall war es nicht schön, jeden Tag um ein paar Brocken Futter kämpfen zu müssen. Wir Straßenkatzen sind selten willkommen und geraten oft in Gefahr. Außerdem hatte ich oft so schlimmes Bauchweh … Ich hatte großes Glück, dass ich zu Ana ziehen konnte, als endlich ein paar Plätze frei wurden. Und später, vor etwa zwei Jahren, dachte ich sogar, ich wäre eine waschechte Glückskatze, denn es gab in Deutschland tatsächlich Menschen, die mich haben wollten. Leider konnte ich nicht lange bei ihnen leben. Ich weiß nicht, was schiefgelaufen ist. Jedenfalls mussten sie mich dem Tierschutzverein zurückgeben … Und nun bin ich hier auf dieser Pflegestelle.“

 

Yuta schloss wieder die Augen und genoss eine Weile die sanften Streicheleinheiten, ehe sie fortfuhr: „Hier werde ich natürlich sehr gut versorgt und die Pflegemenschen sind lieb zu mir. Sie haben sogar herausgefunden, dass ich oft ein schlimmes Bäuchlein habe und zusammen mit einer ganz tollen Tierärztin – okay, so toll fand ich sie meistens nicht, aber sie hat mir immerhin geholfen – meinen ‚Darm saniert‘, was auch immer das bedeuten soll. Seither geht es mir viel besser. Meine Zweibeiner geben mir spezielles Futter, das mir gut tut. Sie möchten gerne ein Zuhause für mich finden, das nicht zu weit weg von dieser Tierärztin ist, weil die mich inzwischen sehr gut kennt und immer gut behandelt hat.“ 

„Das klingt sehr vernünftig“, nickte Lyra. Doch sowohl sie als auch Anela wussten, dass das die Vermittlung der hübschen Russisch-Blau-Mixkatze natürlich nicht gerade einfacher machte. Und auch Yuta ahnte es.

 

„Ich bin wirklich dankbar und fühle mich wohl hier. Aber ich weiß eben auch, dass dort draußen ein richtiges Zuhause auf mich warten könnte, in dem ich für immer leben kann. Ich habe ja schon einen Blick auf dieses Leben erhascht. Ich möchte mich nicht mehr fühlen, als sei ich auf der Durchreise. Zumal sich in Spanien viele Katzen nach einem Platz auf einer Pflegestelle sehnen, aber von denen gibt es nun einmal sehr wenige …“ Yuta ließ schuldbewusst das Köpfchen hängen. 

 

„Aber deshalb brauchst du doch kein schlechtes Gewissen haben, Yuta“, versicherten ihr die Weihnachtselfen schnell und streichelten sie erneut. „Dir ging es nun einmal sehr schlecht, du hast die Extrapflege dringend gebraucht. Und wir sind uns ganz sicher, dass es die Menschen aus deinen Träumen wirklich gibt.“ „Glaubt ihr wirklich?“, fragte Yuta hoffnungsvoll. Lyra und Anela nickten.

 

„Vielleicht musst du dir dein Zuhause auch nicht mit anderen Katzen teilen. Ich habe das Gefühl, die große Gruppe hier behagt dir nicht so?“, erkundigte sich Anela vorsichtig. 

„Naja, ab und zu wird es mir zu viel. Es ist nicht so, als könnte ich die anderen nicht leiden. Aber ich bin halt unabhängig“, antwortete Yuta und reckte ihr Köpfchen. Lyra und Anela ahnten, warum die anderen Katzen ihr graues Haupt manchmal als „Krönchen“ bezeichneten. Wenn Yuta sich so aufrecht hinsetzte wie jetzt, sah sie aus wie eine stolze kleine Königin. Mit den hellgrauen Tupfern auf dem Rücken und dem adrett getigerten Schwänzchen war sie schon eine elegante Erscheinung. Auf eine niedliche Weise.

 

„Mit einem Kater, der das so ähnlich sieht wie ich und nicht allzu unterwürfig ist, käme ich sicher aus“, ergänze Yuta schließlich, denn fordernd wollte sie auch nicht wirken. „Aber am allerallerliebsten bin ich schon mit Menschen zusammen …“ 

Die Elfen lächelten. „Das ist in Ordnung, Yuta. Wir wollen uns auf die Suche nach deinem perfekten Zuhause machen. Doch ehe wir gehen, möchten wir dir noch etwas schenken. Auf dass er bald in Erfüllung gehen möge ...“ 

Und damit küsste Anela Yuta auf die weiße Stirn und schenkte ihr den schönsten Tagtraum überhaupt. Und während die schöne Katze wieder selig zu schnurren begann, machten sich die beiden Weihnachtselfen auf den Weg zu der nächsten Katze …



Yutas Weihnachtswunsch

Hier in Deutschland gehen die Kratzbäume gar nicht so schnell kaputt. Aber in Spanien, bei den vielen Fellchen und der sehr feuchten Luft halten die nicht so lange. Aber sie sind so wichtig, damit wir, bis wir eine Familie haben, Rückzugsmöglichkeiten, Kuschelgelegenheiten und Klettersäulen haben und die Zeit gut überstehen. Deshalb wünsche ich mir, dass wir für Kratzbäume für die Fellchen in Spanien zusammenlegen.

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