Türchen Zwölf - Lucero

In der Luft lag etwas Besonderes. Lucero konnte nicht zuordnen, was es war. Aber an diesem Tag war etwas anders als an all den anderen Tagen, an denen sie nun schon hier war. Wie viele es jetzt wohl waren? 

 

Lucero rollte sich noch ein bisschen enger zusammen auf dem harten Boden. Hier draußen war sie gerne. Hier konnte sie die Düfte des Morgens einatmen, hier konnte sie mit den anderen toben und dem Tageslicht zublinzeln, wenn es sich verabschiedete. Noch lieber als den Tag hatte sie die Nacht. Die Schatten, das Dunkle. Das war ihre Welt. Seit diesem Tag, als die Schatten auch sie umfangen hatten. Lucero öffnete ihre Augen. Sie schaute in den Himmel, nahm die Wolken schemenhaft war. Der Mittag war längst vorbei. Sie spürte es an dem Boden, der nicht mehr warm war. Aber das war er sowieso nur selten in diesen Tagen. Die Menschen, so hatte sie gehört, fieberten einem Fest entgegen. Sie sprachen über Wünsche, über Lieder, die sie singen würden. Wünsche. Lucero hatte nur einen. Naja, eigentlich zwei. Doch den einen, die Rückkehr des Lichts, den würde ihr niemand erfüllen können. Aber da war noch der andere. Sie hatte gesehen, wie Katzen die Finca verlassen hatten. Sie waren verreist, hatte man ihr erzählt. Weit weg. Zu Menschen. Die Katzen hätten bei diesen Menschen Futter und ein kuscheliges Kissen. Manche, so wurde ihr gesagt, hätten sogar Betten an einer Heizung. Das musste wundervoll sein. Seitdem hegte Lucero eigentlich nur noch diesen Wunsch. Sie wollte auch verreisen – zu Betten an Heizungen. Und Menschen – die durften auch da sein. Gerne sogar. Aber wer wollte sie schon haben ...

 

Als sie ihren Gedanken nachhing, änderte sich etwas in der Luft. Sie spürte es, noch ehe sie es erkennen konnte. Ein leises Knistern, noch viel zarter als die Flügel der Libellen. Lucero schloss die Augen. Dieses leise Knistern war nun direkt vor ihr. Und da war noch etwas. Ein Geruch, den ihre Nase noch nie erschnuppert hatte. Süßlich. Wie ... wie ... sie fand keinen Vergleich. Sie überlegte fieberhaft, was das sein könnte, als eine zarte Stimme an ihr Ohr fand: „Hallo.“ 

Als Lucero die Augen öffnete, erahnte sie vor sich zwei Wesen. Zwei Wesen mit genau diesen zarten Flügeln, deren Flirren sie sanft an ihrem Gesicht, ihren Schnurrbarthaaren spürte. Sie waren von einem Funkeln umgeben, so wie die Luft um sie herum. „Haben wir dich erschreckt?“ Lucero begriff: „Du meinst, weil meine Pupillen so groß sind? Nein, das sind sie immer. Meine Sehkraft ... naja, die ist nicht so toll.“ Lucero schnupperte nochmals, atmete diesen süßen Duft ein. 

„Wer seid ihr? Ich habe euch noch nie hier … äh... gerochen.“ „Wir sind Weihnachtselfen. Das hier ist Anela. Und mein Name ist Lyra“, antwortete Lyra. „Und wer bist du?“ „Ich bin Lucero, der helle Stern im schwarzen Kleid“, schnurrte die Katze. Und sie schnupperte weiter erstaunt in die Luft. „Weißt du Lucero, wir kommen, weil bald Weihnachten ist.“ Das Fest, dachte Lucero. „Und wir besuchen Anas Katzen. Wir möchten euch helfen, ein Zuhause zu finden“, plapperte Lyra. Ein Zuhause – so nannte man wohl dieses Bett an der Heizung. „Und dann kommt ihr ausgerechnet mich besuchen?“ Lucero schaute in Richtung der Elfen, ohne sie wirklich zu erkennen. „Ich bin hier nicht gerade beliebt, wisst ihr.“ Lucero wurde traurig, als sie an die Attacken der anderen Katzen dachte. Sie mochte die anderen so gerne, tollte gerne mit ihnen herum, aber die ... die ärgerten sie. Und manchmal auch Schlimmeres. Und das nur, weil ihre Welt dunkel war. Offensichtlich hatte sie das alles leise vor sich hingebrabbelt, denn das Flirren der Flügel hielt inne. „Deine Augen, du kannst nichts sehen?“, wollte Lyra wissen. „Nur wenig. Ich war noch klein, als ich mein Augenlicht verlor. Man sagt, jemand hätte mich getreten. Darüber kam ich zu Ana.“ 

 

Naja, eigentlich, dachte Lucero, war es erstmal ein anderer Ort. Mit Medikamenten. Eine Tierklinik hatte Ana das genannt. Hier war sie einige Zeit, bis sie auf die Finca durfte. Aber ohne ihr Augenlicht. Das war verloren. „Wisst ihr, ich sehe zwar nicht besonders gut, aber ich höre und schnuppere umso mehr. Und meine Haut, die spürt jedes Streicheln umso tiefer. Und meine Lebensfreude, die habe ich auch nicht verloren.“ Lucero fand ihre gute Laune wieder, als sie erzählte, stoppte dann aber abrupt ab. „Aber weil ich nicht sehen kann, ärgern mich die anderen Katzen oft. Das tut weh. Ich gehöre einfach nie so richtig dazu, wisst ihr. Und weil ich fast blind bin, will mir bestimmt auch niemand en Zuhause schenken.“ Anela und Lyra schauten in die großen Pupillen der schwarzen Katze. „Aber du bist eine echte Schönheit, Lucero. Und ein heller Stern, wer will den nicht in seinem Heim haben?“ Lyra hatte recht. Mit ihrem lustigen weißen Brustfleck, ihrem halblangen Fell – da hatte die junge Katze schon etwas zu bieten. Die schien sichtlich aufgemuntert von den Worten. „Das wäre schön. Ich würde so gerne verreisen, zu so einem Bett an der Heizung. Zu Menschen, die mich nehmen, wie ich bin. Denn trotz allem, was mir passiert ist, habe ich Menschen wirklich sehr gern.“ 

 

Mit dem Versprechen, ihre Geschichte in die Welt zu bringen, verabschiedeten sich Anela und Lyra. Und dann war es weg, das Funkeln von Flügeln und der süße Geruch. Beides nahm Lucero Stunden später mit in die Dunkelheit der Nacht – zusammen mit der Hoffnung auf ein Leben als heller Stern in der Ferne.

 


Luceros Weihnachtswunsch

Gerade für uns Kleinen, ist es wichtig dass wir genug zu Essen haben. Unsere ersten Wochen waren meistens nicht so toll und viele von uns waren krank, als wir zu Ana kamen. Neben der Liebe von Ana benötigen wir, damit wir groß und stark werden, Kittenfutter für die Kleinsten.

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