Türchen Sechszehn - Elli

Elli drückte sich so flach auf den Boden wie sie konnte. Gleich war es soweit. Die kleine Siamkatze hielt die Luft an. Jetzt! In der Sekunde, in der der ahnungslose Spielball am Sofa vorbeirollte, stieß Elli sich vom Boden ab. Pfeilschnell schoss sie nach vorn, bekam das filzige Ding zwischen ihre schokoladenfarbenen Pfötchen und packte zu. Dummerweise vergaß sie dabei, auch das Rennen einzustellen – mit einem dumpfen Geräusch überschlug Elli sich und landete wieder auf dem flauschigen Hinterteil, während der Ball ihren wild fuchtelnden Pfoten entglitt. Konnte ein Spielzeug schadenfroh aussehen? Elli schüttelte sich und verwarf den unwichtigen Gedanken, während sie sich aufrappelte und sich wichtigeren Angelegenheiten zuwandte: Ihrem Zweibeiner. Mit verspieltem Gurren forderte Elli ihn zu einer erneuten Runde Bällchenjagd auf und strich ihm aufgeregt um die Beine.
Doch statt das Bällchen aufzuheben und noch einmal zu werfen, bekam sie nur liebevoll den Kopf gestreichelt. Dann wandte ihr Mensch sich wiederum seiner wichtigen Angelegenheit zu: Dem anderen, winzigen Menschen, mit dem Elli so wenig anfangen konnte. Ihr aufgeweckt erhobener Schwanz senkte sich enttäuscht. „Aber ich will weiterspielen!“, maunzte sie ihrem Menschen hinterher, doch da hatte dieser schon das Zimmer verlassen. Unzufrieden gurrte Elli noch ein paar Mal, doch es hatte keinen Sinn. Ihre Zweibeiner hatten eben nur eine gewisse Zahl an Stunden pro Tag zur Verfügung und die mussten sie halbwegs gerecht zwischen sich, drei Katzen und dem Baby aufteilen. Das wiederum wusste Elli leider nicht. Und so war sie jedes Mal furchtbar enttäuscht, wenn wieder einmal keine Zeit zum Kuscheln oder Toben übrig blieb. So wie jetzt.
Also maunzte Elli erneut: „Mir ist langweilig! Ist denn gar keiner hier, der mit mir spielen will?“ Die Antwort, die sie erhielt, hatte sie sich allerdings anders vorgestellt. Auf einmal war die Luft um sie herum mit einem Prickeln und ungewöhnlichem Surren erfüllt. Elli bekam große Augen. Ob das ein neues Spiel war, das ihre Menschen sich für sie ausgedacht hatten? Was war das für ein Blitzen und Funkeln vor dem Sofa? Elli duckte sich … „Komm schon, Lyra“, rief Anela, als sie aus dem bunten Funkenregen flatterte, mit dem sie und Lyra durch die Welt reisten. „Ich denke, hier sind wir rich-…“ Weiter kam die Weihnachtselfe nicht. Mitten in der Luft kollidierte sie mit einem sehr schnellen, flauschigen Etwas. Und ehe Anela sich versah, saß sie verwirrt auf dem Sofa und blickte hinauf in zwei riesige, hellblaue Augen.
Elli, der diese Augen gehörten, schaute genauso entgeistert drein wie die Elfe. „Du – du bist ja gar kein Spielbällchen!“, stotterte sie sehr verlegen. „Nicht, als ich das letzte Mal nachgesehen habe“, antwortete Anela entschuldigend. Lyra, die den Zusammenstoß der beiden mitverfolgt hatte und aufgeregt herangeflattert war, beobachtete, wie Elli daraufhin hektisch begann, Anelas zerzaustes Haar zu putzen, weil ihr die Situation sichtlich peinlich war. Anela wiederrum sah nach dieser Behandlung mit der rauen Katzenzunge verstrubbelter aus als zuvor. Da konnte Lyra ein Prusten nicht unterdrücken. Als Elli sich umblickte, Lyra entdeckte und offenkundig überlegte, ob sie dieses Wesen als Entschuldigung wohl ebenfalls putzen sollte, konnte sich auch Anela ein Lachen nicht verkneifen. Zu guter Letzt musste sogar Elli kichern und so glucksten die drei vor sich hin, als Elli und Anela sich aufsetzten.
Die Siamkatze entschuldigte sich nochmals für ihren Irrtum, doch Anela winkte grinsend ab: „Wir Weihnachtselfen sind hart im Nehmen. Es ist nicht das erste Mal, dass unser Auftauchen einen spielerischen Angriff ausgelöst hat.“ Dass es sich dabei immer um vorwitzige Kitten gehandelt hatte, verschwieg sie lieber. Elli schnurrte erleichtert. Das war noch einmal gut ausgegangen. „Was tut ihr beiden eigentlich hier?“, erkundigte sie sich. „Wir haben gespürt, dass du gerade sehr traurig warst, Elli“, antwortete Lyra, „Deswegen wollten wir nach dir sehen und fragen, was der Grund dafür ist. Du scheinst doch ein schönes Zuhause gefunden zu haben.“ Elli ließ ihr dunkles Köpfchen hängen. „Es ist ein großartiges Zuhause“, gab sie zu, „Meine Menschen haben mich gern und behandeln mich gut. Aber da ist noch dieser Zwergzweibeiner, mit dem ich mir die Aufmerksamkeit teilen muss. Wir beide kommen nicht besonders gut aus. Ich finde es komisch, wie er mit seinen dünnen Ärmchen fuchtelt. Und er kann nicht schlafen, wenn ich die ganze Nacht herumtobe, weil ich so viel Energie übrig habe. Ich habe versucht, ersatzweise besonders heftig mit meinen Katzenkumpeln hier zu spielen. Aber die finden mich inzwischen fast nur noch anstrengend. Deswegen waren meine Menschen sehr traurig und haben mir gesagt, sie wollen nur das Beste für mich und suchen mir jetzt ein neues Zuhause, in dem alle viel Zeit für mich haben, viel geschmust und gespielt wird und noch andere aufgeweckte Katzen wie ich leben. Allerdings kann es natürlich dauern, bis sie so ein Heim für mich finden – die jetzige Situation ist leider ziemlich belastend für uns alle.“
Die Weihnachtselfen nickten verständnisvoll. Wenn einer Katze wie Elli das Glück nur haarscharf durch die Pfötchen glitt, war das immer besonders tragisch. Gleichzeitig bewunderten sie die Menschen, die so verantwortungsvoll mit der Situation umgingen – da hatten sie schon ganz andere Geschichten gehört. Lyra und Anela nickten sich in stummen Einverständnis zu. „Wir werden deinen Zweibeinern helfen, Elli. Wir erzählen ganz vielen Tierfreunden deine Geschichte. Vielleicht melden sich ja bald Menschen, die dich genauso schätzen wie diese hier, dir aber mehr Aufmerksamkeit schenken können. Wie klingt das?“ Elli hopste aufgeregt auf dem Sofa herum und ehe Anela sich versah, wurde sie ein weiteres Mal geputzt. Diesmal musste wenigstens auch Lyra ran. Offenbar hatte die hübsche Siamkatze einen kleinen Putzfimmel. Aber die Geste war ganz offensichtlich lieb und dankbar gemeint und so ließen die Elfen die spezielle Feuchtigkeitspflege schmunzelnd über sich ergehen.
Als alle Beteiligten garantiert extrafunkelsauber waren, zwinkerte Lyra Elli zu. „Wir haben noch ein bisschen Zeit. Was meinst du, Elli …“ Sie flatterte zu dem kleinen Ball von vorhin hinüber und hob ihn mit beiden Händen in die Höhe. „… Lust auf eine kleine Bällchenjagd, ehe wir weiterziehen?“ Während Ellis Pupillen sich schon aufgeregt weiteten, ergänzte Anela schelmisch: „Aber dass mir diesmal keine Elfen aus der Luft geholt werden.“ „Versprochen!“, versicherte die Katze, während sie bereits mit den Hinterbeinen wackelte ... Ein paar Stunden später verabschiedete sich Elli von ihren neuen Freundinnen (es waren übrigens keine weiteren Elfen zu Schaden gekommen) und kuschelte sich bald darauf völlig ausgepowert zu ihren Menschen ins Bett. Heute sollten alle zur Ruhe kommen und selig schlafen: Zweibeiner, Vierbeiner – sogar ein paar Weihnachtselfen.

Ellis Weihnachtswunsch

Ich glaube meine Freunde haben sich schon Spielzeug gewünscht. Das ist auch super doll wichtig. Aber bisher hat keiner gesagt wie super toll Kratzbäume sind. Auf denen kann man spielen UND kuscheln! Und weil die anderen, die noch nicht in Deutschland sind, das viel dringender brauchen als ich, weil ich mit Spielzeug und Kratzbäumen gut versorgt bin, wünsche ich mir, Kratzbäume für die in Spanien wartenden Fellchenfreunde. In Spanien gehen Kratzbäume leider wegen der feuchtwarmen Luft und der vielen Fellchen viel schneller kaputt als in einem Zuhause. Ohne Kratzbäume fehlen Kuschelplätze, Spiele- und Klettermöglichkeiten und Kratzsäulen - alles wichtig um die Zeit zu überbrücken, bis die Katzenfreunde eine Familie finden. Das wäre sehr schlimm. Wollen wir alle Zusammenlegen, um für Kratzbaumnachschub zu sorgen?

6,50 €

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