Türchen fünf - Dazzling

 

Ein leiser Wind wehte einen salzigen Geruch durch die still daliegenden Gehege im spanischen Süden. Das Meer war nah genug um es zu riechen, aber nicht um es zu hören. Ein Regenbogen schimmerte am Spätnachmittagshimmel, an dem sich Sonne und Regenwolken mischten. Es war ein kühler Wintertag und die Bewohner der Gehege – allesamt Katzen - kuschelten sich drinnen fröstelnd in ihre Bettchen und tuschelten über die kleinen geflügelten Wesen, die seit einigen Tagen einige von ihnen besucht hatten. Die jüngeren Katzen lauschten mit großen, staunenden Augen andächtig den Geschichten der älteren. Sie erzählten die Legenden, die sich um die Besuche der Weihnachtselfen rankten und von Katze zu Katze weitergegeben wurden. So greifbar war die weihnachtliche Stimmung, dass die Zuhörer beinahe die Wärme eines liebevollen Zuhauses spüren, beinahe den Klang von Weihnachtsliedern hören und den Duft des Weihnachtsessens riechen konnten.

 

 Im Gegensatz zu seinen Katzenfreunden war Dazzling allerdings noch etwas draußen geblieben - wie immer, wenn ein Regenbogen am Himmel zu sehen war.  Regenbögen erinnerten ihn an seine Mama, Amitola. Sie war im letzten Frühling gestorben und er vermisste sie so sehr. Ihr Name bedeutete Regenbogen und hatte so gut zu ihr gepasst. Sie war wunderschön gewesen, so sanft und eine gute Lehrerin. Sie hatte ihm und seinem Bruder Hanoy so viel beigebracht – vor allem immer vorsichtig zu sein. Und dann… Dazzling hielt es nicht mehr aus. Er stieß einen Schrei der Trauer und Verzweiflung aus. Die Dämmerung war herabgesunken und die ersten Sterne funkelten mitfühlend auf Dazzling herab, als ein zarter Windhauch seinen Schrei davontrug.

 

Der Schrei verwehte, aber die tiefe Verzweiflung, die darin gelegen hatte, schwebte weiter durch Raum und Zeit und fand schließlich Lyra und Anela auf ihrer Reise. Die beiden Weihnachtselfen erschraken über die Intensität der seelischen Schmerzen, die Dazzling in sich spürte und machten sich auf den Weg zu ihm.

 

„Mama?“, fragte Dazzling, als ein sanftes Leuchten in allen Farben des Regenbogens neben ihm erglühte. Zwei zarte, geflügelte Wesen nahmen inmitten des regenbogenfarbenen Schimmers Gestalt an. „Nein, lieber Dazzlig“, sprach Anela, „Wir sind Anela und Lyra, zwei Weihnachtselfen und deine Trauer erreichte uns und nun sind wir hier und möchten dir helfen.“

 

„Ich habe von euch gehört“, sagte Dazzling ungläubig, „ aber ich hätte nie gedacht, dass ihr ausgerechnet mich besuchen kommt.“

Lyra küsste den Kater sanft auf die Nase und Dazzling spürte, wie sich Wärme in ihm ausbreitete. „Erzähl uns deine Geschichte, damit wir dir helfen können“, forderte Anela ihn sanft auf.

 

Dazzling holte tief Luft und wappnete sich, denn es war immernoch schwer für ihn, zu erzählen, was ihn so traurig machte:

„Meine Mama, mein Bruder und ich waren früher zusammen hier in der Gegend unterwegs. Es ist vielleicht unter Katzen nicht üblich, aber unsere Mama hat immer auf uns aufgepasst, auch als wir schon etwas älter waren. Sie hatte auch guten Grund dazu, denn hier lauern viele Gefahren, das hat sie uns immer wieder eingeschärft. Zwei der großen Bedrohungen, das sagte sie uns immer wieder, sind manche Menschen und viele Hunde. Wir lebten nicht weit von hier und hörten von Ana. Sie war auch ein Mensch, aber wenn man den Gerüchten glauben konnte, rettete sie Katzen und hatte sie sogar sehr lieb. Also schauten wir uns Ana und ihre Zuflucht vorsichtig an. Es stimmte tatsächlich. Ana hilft ganz vielen Katzen, gibt ihnen Futter und gemütliche Bettchen und pflegt sie, wenn sie krank sind. Wenn eine Katze zu schwach ist und sich auf den letzten Weg in diesem Leben macht, ist Ana für sie da und weint sogar um sie. Das hatten wir noch nie gesehen und wollten Ana fragen, ob sie einen Platz für uns hat. Sie hat uns erklärt, dass wir erst durch eine Quarantänephase müssen, aber das fanden wir gut, wir wollten ja keine Krankheiten einschleppen. Die Quarantäne war überfüllt, aber Ana versprach uns, dass wir die nächsten freien Plätze bekommen würden. Also blieben wir in der Nähe und Ana hat uns mit Essen versorgt. Und gerade als ein Platz für uns frei wurde…“ Dazzling blinzelte gegen die Tränen an und erzählte tapfer weiter: „Gerade als ein Platz wurde, hat ein Hund meine Mama erwischt. Ich weiß noch, dass Ana mit meinem Bruder und mir zusammen lange geweint hat. Sie hat sich so fürchterliche Vorwürfe gemacht, aber sie konnte nichts dafür. Wir haben Mama bei Ana bestattet und noch oft über sie geredet. Jetzt waren nur noch mein Bruder und ich übrig, aber Ana hat uns aufgenommen und geliebt und beschützt, fast wie unsere Mama zuvor. Mein Bruder und ich konnten nicht zusammenbleiben, weil er krank war und separat untergebracht werden musste. Er darf nun in wenigen Tagen nach Deutschland reisen. Ich freue mich sehr für ihn. Er braucht so dringend ein stabiles und liebevolles Umfeld. Aber nun bin ich der letzte aus meiner Familie, der noch kein Zuhause in Aussicht hat. Meine Mama wohnt hinter dem Regenbogen und ich hoffe dort geht es ihr gut. Mein Bruder wird eine Familie haben und ich bin ganz sicher, dass er glücklich sein wird. Nur mich will keiner haben.“ 

 

Lyra warf Anela einen unsicheren Blick zu. Sie hatte schon viel Erfahrung gesammelt, aber Dazzlings Geschichte war so traurig, dass sie nicht recht wusste, was sie sagen sollte. Anela wisperte zärtlich: „Kleiner Dazzling, was geschehen ist, ist geschehen. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir werden deine Geschichte erzählen, damit deine Zukunft so voller Glück ist, dass die Wunden der Vergangenheit heilen können.“

Die beiden Weihnachtselfen lächelten Dazzling liebevoll zu und umarmten ihn. Als Dazzling den tanzenden Funken im glühenden Regenbogenschimmer zuschaute, fühlte er sich plötzlich zuversichtlicher und hoffte, dass die Zukunft, von der Anela und Lyra gesprochen hatten, nicht mehr allzu weit entfernt war.


Dazzlings Weihnachtswunsch

Ich sage nicht nein zu einem Leckerbissen.. oder zwei. Weil es immer sehr blöd ist, wenn das Bäuchlein weh tut wünsche ich mir Schonfutter gegen Durchfall. Das ist nicht nur für mich gut, sondern auch für die, die unsere Gemeinschaftsklos auch benutzen oder saubermachen. 

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